Lukas war ein Sammler. Sein ganzes Leben lang hatte er alte Spiele und Konsolen aus den 80ern und 90ern gehortet, auf der Suche nach seltenen Schätzen. In einem kleinen, unscheinbaren Second-Hand-Laden in seiner Heimatstadt entdeckte er eines Tages etwas, das sein Sammlerherz schneller schlagen ließ: eine verstaubte, schwarze Cartridge ohne Etikett. Nur ein handgeschriebener Zettel war darauf geklebt, auf dem „Nicht spielen!“ stand.
Neugierig kaufte Lukas das Spiel für ein paar Euro und rannte nach Hause, um es sofort auszuprobieren. Er steckte die Cartridge in seine alte Konsole und schaltete den Fernseher ein. Kein Startbildschirm, kein Titel – nur eine einfache Auswahl: „Neues Spiel starten“ oder „Fortsetzen“. Verwundert klickte Lukas auf „Neues Spiel starten“.
Das Spiel selbst war simpel. Eine pixelige Figur, die in einer düsteren Stadt herumwanderte, mit simplen Aufgaben wie „Finde den Schlüssel“ oder „Entkomme aus dem Gebäude“. Es schien ein typisches 90er-Jahre-Rätselspiel zu sein, aber etwas fühlte sich falsch an. Die Musik im Hintergrund war monoton, fast hypnotisch, und die Bewegungen der Spielfigur schienen immer direkter auf Lukas zu reagieren. Als er das Spiel an einem bestimmten Punkt pausierte, hörte er plötzlich das Geräusch eines Schlüssels hinter sich. Er drehte sich erschrocken um, doch niemand war da.
Im Laufe der Tage wurden die Dinge immer merkwürdiger. Jedes Mal, wenn Lukas eine Aufgabe im Spiel erfüllte, geschah etwas in seinem echten Leben. Er fand einen Schlüssel auf seinem Küchentisch, nachdem er eine Truhe im Spiel geöffnet hatte. Die nächste Nacht wurde ein Fenster in seinem Wohnzimmer aufgestoßen, genau wie die Tür im Spiel, die er entriegelt hatte. Panik machte sich breit, doch er konnte nicht aufhören zu spielen.
Irgendetwas zwang ihn weiterzumachen. Die Aufgaben wurden dunkler, bedrohlicher. „Verstecke dich vor dem Schatten“, lautete die nächste Mission, während sich ein finsterer Schatten durch die verpixelte Stadt bewegte. Lukas spürte plötzlich, dass er im echten Leben nicht mehr alleine war. Eine unerklärliche Kälte erfüllte sein Wohnzimmer, und er hörte Schritte hinter sich. Verzweifelt drückte er weiter auf die Knöpfe, um dem Schatten im Spiel zu entkommen.
Er schaffte es, die Spielfigur in einen kleinen Raum zu bringen und die Tür hinter sich zu verriegeln. Im selben Moment hörte er ein lautes Klopfen an seiner echten Wohnungstür. Zitternd stand er auf, ging zur Tür und öffnete sie – doch es war niemand da. Zurück im Spiel sah er auf dem Bildschirm eine Nachricht: „Spiel beendet. Du hast gewonnen.“
Die Konsole schaltete sich von selbst aus. Lukas riss die Cartridge heraus und starrte sie an. Die Worte „Nicht spielen!“ schienen jetzt in einem dunkleren, tieferen Rot geschrieben zu sein. Er schwor sich, das Spiel nie wieder anzurühren.
Doch in jener Nacht, als er versuchte zu schlafen, hörte er ein leises, wiederkehrendes Flüstern aus der Ecke seines Zimmers. Es waren die Worte des Spiels: „Fortsetzen?“