Der Duft der Kirschblüten

Jedes Jahr, pünktlich zum Frühlingsbeginn, verwandelte sich der Park am See in ein Meer aus zartrosa Blüten. Die Kirschbäume standen in voller Pracht und tauchten die Umgebung in ein sanftes, magisches Licht. Für Kaito war dies nicht einfach nur ein Festival; es war eine jährliche Pilgerreise zu Ehren seiner verstorbenen Mutter, die ihn schon als Kind an diesen Ort gebracht hatte.

Er stand unter dem größten Baum, genau an der Stelle, wo seine Mutter einst mit ihm gesessen und ihm Geschichten erzählt hatte. Ihre Lieblingsgeschichte handelte von einer alten Legende, dass die Kirschblüten die Träume derer erfüllten, die an die Liebe glaubten. Als Kind hatte Kaito diese Worte nicht hinterfragt, aber nun, Jahre später, kamen sie ihm oft in den Sinn, besonders wenn er die Blüten im Wind tanzen sah.

In der Nähe, unter einem kleineren Baum, saß eine junge Frau auf einer Decke und malte in ein Skizzenbuch. Sie hatte lange dunkle Haare, die im sanften Frühlingswind wehten, und trug ein schlichtes, weißes Kleid, das wie ein Echo der Blüten um sie herum wirkte. Kaito war ihr in den vergangenen Jahren immer wieder begegnet, aber sie hatten nie ein Wort gewechselt, nur gelegentlich flüchtige Blicke ausgetauscht.

Heute jedoch sah er, dass sie mit einer Träne kämpfte, während sie zeichnete. Etwas in ihrem Gesicht berührte ihn, und ehe er sich versah, ging er auf sie zu.

„Darf ich mich zu dir setzen?“ fragte er höflich. Sie sah auf und lächelte leicht überrascht. „Natürlich.“

Eine Weile saßen sie schweigend nebeneinander. Kaito schaute auf das Bild, das sie malte: Ein alter Kirschbaum mit einer Schaukel. „Dieser Baum… Er kommt mir bekannt vor,“ murmelte er.

Die Frau nickte. „Es ist derselbe Baum, den ich jedes Jahr zeichne. Ich suche nach einer Erinnerung, die ich hier verloren habe.“ Sie hielt inne und sah Kaito an. „Als ich noch ein Kind war, habe ich hier mit einem Freund ein Versprechen gemacht. Wir haben uns geschworen, uns hier wieder zu treffen, wenn wir erwachsen sind. Aber ich habe ihn nie wieder gesehen.“

Kaitos Herz setzte einen Schlag aus. Er erinnerte sich plötzlich an etwas, das er lange verdrängt hatte: An eine Schaukel, die an den alten Kirschbaum gebunden war, und an ein junges Mädchen mit einem Lächeln, das heller war als alle Blüten zusammen. Sie hatten versprochen, einander nicht zu vergessen und sich jedes Jahr an diesem Ort zu treffen. Doch das Leben hatte andere Pläne, und Kaito war nie wieder gekommen – bis nach dem Tod seiner Mutter.

„Ich glaube, ich kenne diese Geschichte,“ sagte er schließlich und sah sie an. Ihre Augen weiteten sich, und für einen Moment schienen die Jahre zu verschwinden. „Du… warst es.“

Der Wind trug Blütenblätter um sie herum, und die Zeit schien stillzustehen. Kaito griff vorsichtig nach ihrer Hand, unsicher, ob es ein Traum war. „Ich habe dich gesucht, ohne es zu wissen,“ flüsterte er.

Sie lächelte, Tränen in den Augen, und der Duft der Kirschblüten umhüllte sie wie ein Versprechen, das endlich erfüllt wurde. „Und ich habe nie aufgehört zu warten.“

Unter den blühenden Bäumen saßen sie und erzählten sich von den Jahren, die sie getrennt hatten. Sie sprachen über verlorene Träume und neue Hoffnungen, und während die Kirschblüten wie Schneeflocken um sie fielen, wussten sie, dass sie endlich am Ziel ihrer Suche angekommen waren.

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