Die letzte Fähre

Der alte Mann stand am Pier, den Mantel eng um seine Schultern gezogen. Die salzige Luft war kalt, und der Nebel lag schwer über dem Wasser. Niemand außer ihm war hier – niemand außer der Fähre.

Sie lag regungslos am Kai, ihr Holz dunkel und vom Meer gezeichnet. Kein Kapitän, keine Crew, kein Licht. Nur das sanfte Schaukeln der Wellen.

Er hatte ein Leben voller Entscheidungen hinter sich – einige gut, einige schlecht. Nun stand er vor der letzten. Er trat an Bord.

Kaum hatte er das Deck betreten, lösten sich die Taue wie von unsichtbarer Hand. Lautlos glitt die Fähre hinaus in die Nacht. Die Stadt verschwand im Nebel, bis nur noch Wasser und Dunkelheit blieben.

Nach einer Weile tauchte eine Gestalt auf. Eine Frau mit leuchtenden Augen, gekleidet in einen dunklen Mantel.

„Wohin willst du?“ fragte sie.

Er zögerte. „Das weiß ich nicht.“

Sie nickte. „Diese Fähre bringt dich nicht an einen Ort. Sie bringt dich an einen Punkt. Eine Entscheidung.“

Der Nebel lichtete sich. Plötzlich sah er sich selbst – jung, lachend, an der Seite einer Frau, die er einst geliebt hatte. Dann ein anderes Bild: Er, allein, in einem Büro, erfolgreich, aber leer.

Die Frau betrachtete ihn. „Es gibt Wege, die du nie gegangen bist. Türen, die du schließen oder öffnen kannst. Die letzte Fähre bringt dich dorthin, wo du sein sollst – aber du musst wählen.“

Sein Herz pochte. Noch einmal von vorn beginnen? Oder annehmen, was gewesen war?

Er atmete tief ein. Und wählte.

Die Fähre fuhr weiter. Oder kehrte um.

Niemand an Land würde je erfahren, wohin.

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