Finn wischte sich die Tränen aus den Augen, als er in der Wohnung seines verstorbenen Großvaters stand. Er hatte seinen Großvater bewundert, einen verschrobenen, aber liebenswerten Mann, der mehr Zeit am Computer als in der echten Welt verbrachte. Während Finn durch alte Bücher und vergilbte Fotos blätterte, fand er einen silbernen USB-Stick, an dessen Kette ein kleiner Zettel baumelte: „Swordlands Saga“. Darunter war eine Notiz: „Für dich, Finn. Falls du bereit bist.“
Verwundert steckte Finn den Stick in seinen Laptop und sah eine Verknüpfung zu einem alten Spiel, das er noch nie zuvor gesehen hatte. „Swordlands Saga“ war ein Rollenspiel aus den frühen 2000ern, das längst vergessen war. Finn erinnerte sich, wie er als Kind seinem Großvater dabei zugesehen hatte, wie er stundenlang vor dem Bildschirm saß und mit anderen Spielern auf Abenteuer ging. Mit gemischten Gefühlen installierte er das Spiel und erstellte ein Konto, das Spiel wirkte altmodisch und hatte einen nostalgischen Charme, der ihn sofort in den Bann zog.
Kaum hatte er sich eingeloggt, entdeckte er den alten Avatar seines Großvaters – „Eldric der Weise“. Eldric war ein weiser Magier mit grauem Bart und tiefblauem Umhang, ein mächtiger Charakter, der den Respekt seiner Mitspieler genoss. Neugierig klickte Finn auf die Quest-Liste und bemerkte, dass Eldric mitten in einer Quest steckte, die niemals abgeschlossen worden war. Die Aufgabe trug den Titel „Das verborgene Herz des Schicksals finden“ und schien schon seit Jahren auf eine Erfüllung zu warten.
„Willkommen zurück, Eldric!“ Eine Nachricht erschien auf dem Bildschirm. Es war ein anderer Spieler, dessen Avatar ein tapferer Krieger mit dem Namen „Jorund der Unerschrockene“ war.
„Bist du Eldric?“, fragte Jorund. „Ich dachte, du hättest uns alle verlassen. Aber es ist lange her. Ich habe deinen Großvater gekannt, Finn. Er sprach oft von dir.“
Finn war überwältigt. Hier war ein Mensch, der seinen Großvater aus einer völlig anderen Perspektive kannte – als Held in einer virtuellen Welt. Jorund erzählte ihm von Abenteuern, die sie gemeinsam bestanden hatten, von epischen Schlachten gegen Drachen und Dämonen und von den Freundschaften, die über das Spiel hinausgingen. Finn konnte kaum glauben, dass sein Großvater diese Welt so lebendig und aktiv erlebt hatte.
Von Neugier getrieben, entschloss Finn sich, die Quest für seinen Großvater zu vollenden. Zusammen mit Jorund machte er sich auf die Suche nach dem „verborgenen Herz des Schicksals“. Es war eine schwierige Aufgabe, die sie in die tiefsten Höhlen und finstersten Wälder von Swordlands führte. Jede Mission enthüllte ein kleines Detail aus dem Leben seines Großvaters – geheime Botschaften, die er als Eldric im Spiel hinterlassen hatte. Die Nachrichten wirkten fast wie Briefe, als hätte sein Großvater sie für Finn vorbereitet.
Eine davon lautete: „Es ist nicht die Welt, die uns verändert, sondern die Abenteuer, die wir wagen.“ Finn spürte einen Kloß im Hals, als er diese Worte las. Das Spiel war mehr als ein Spiel gewesen; es war für seinen Großvater eine zweite Heimat.
Wochen vergingen, und Finn verbrachte jeden Abend in Swordlands. Er freundete sich mit Jorund und anderen alten Kameraden seines Großvaters an und lauschte ihren Geschichten, die voller Lachen und Melancholie waren. Er lernte seine Großmutter kennen, als er auf ein kleines Dorf im Spiel stieß, das sie zusammen gebaut hatten. Diese virtuelle Welt war voller Erinnerungen und voller Geheimnisse, die nur Eldric und seine Freunde kannten.
Nach vielen Abenteuern und Rätseln standen Finn und Jorund schließlich vor dem „verborgenen Herz des Schicksals“ – einem strahlenden Kristall, tief in einer Höhle verborgen. Als Finn das Herz berührte, erschien eine letzte Botschaft seines Großvaters auf dem Bildschirm: „Danke, Finn. Lebe dein Leben mit Mut und Freude. Deine Reise hat gerade erst begonnen.“
Mit einem bittersüßen Gefühl loggte sich Finn aus. Er war ein Stück näher an seinen Großvater gerückt, hatte ihn durch die Augen seiner Kameraden gesehen und verstand jetzt, was für einen lebendigen Geist er hatte. Finn wusste, dass er die Legende von Eldric, dem Weisen, in Ehren halten würde – nicht nur in der Welt von Swordlands, sondern auch in der echten.