Es begann wie ein gewöhnlicher Regentag. Die Wolken über der Stadt waren dicht und schwer, wie eine Decke aus Blei. Anna saß in ihrem Büro im elften Stock und starrte aus dem Fenster. Sie hatte sich auf einen ruhigen Nachmittag eingestellt, doch dann bemerkte sie etwas Seltsames. Der Regen, der plötzlich begann, war nicht klar wie gewöhnlich. Stattdessen wirkte er dunkel, fast schwarz, als er in dicken Tropfen gegen die Scheiben prasselte.
„Hast du das gesehen?“ fragte ihr Kollege, der neben ihr am Fenster stand. Er lehnte sich vor und wischte mit der Hand über das Glas, wo die Tropfen langsam herunterrannen. Doch seine Finger hinterließen keine Schlieren. Der Regen schien zu zäh, fast ölig.
„Was ist das?“ murmelte Anna, als der Himmel sich weiter verdunkelte. Sie öffnete ihr Telefon, doch es gab keine Nachrichten oder Warnungen. Nur der stetig niedergehende, schwarze Regen, der langsam die Straßen unter ihnen überflutete.
Stunden später war die Stadt nicht wiederzuerkennen. Die Straßen waren mit einer dicken, schwarzen Schicht bedeckt. Autos blieben liegen, Menschen rannten unter Vordächer, doch niemand wagte sich hinaus. Die Luft selbst schien schwerer zu werden, als ob der Regen etwas anderes mit sich brachte. Anna sah aus dem Fenster auf den Platz vor dem Gebäude, wo eine Frau versuchte, durch die schwarze Masse zu waten. Ihr Schritt wurde langsamer, ihre Bewegungen schwerfälliger. Als sie stürzte, blieb sie einfach liegen.
Plötzlich vibrierte ihr Telefon. Eine Notfallmeldung. „Bleiben Sie drinnen. Vermeiden Sie Kontakt mit dem Regen. Unbekannte Substanz.“ Mehr stand da nicht.
Panik kroch in Anna hoch. Sie lief zu den anderen Büros, doch auch dort herrschte Chaos. Menschen standen fassungslos vor den Fenstern oder versuchten verzweifelt, Informationen zu bekommen. Keiner wusste, was dieser Regen war oder wie lange er andauern würde.
Die Stunden zogen sich. Draußen fiel der Regen unaufhörlich weiter, und die Straßen verwandelten sich in eine schwarze, zähe Masse. Die wenigen Menschen, die sich noch draußen befanden, bewegten sich langsamer, als würde der Regen sie erdrücken. Einige fielen einfach um und blieben liegen, ihre Körper schienen mit der schwarzen Flüssigkeit zu verschmelzen.
Anna fühlte, wie die Luft im Büro stickig wurde. Ihr Herz raste, als plötzlich laute Schritte im Flur zu hören waren. Jemand rannte schreiend vorbei, ein Mann, der versuchte, in Panik einen Ausweg zu finden. Doch es gab keinen. Die Türen nach draußen waren blockiert, und der Regen hielt die Stadt wie eine eisige Hand umklammert.
Dann bemerkte Anna etwas Seltsames. Die Tropfen an den Fenstern, die vorher nur schwarz und undurchdringlich schienen, begannen zu pulsieren. Langsame, gleichmäßige Bewegungen, als ob sie atmeten. Ihr Atem stockte. „Seht ihr das?“ rief sie, aber keiner schien zu reagieren. Sie waren alle zu sehr in ihre eigene Angst verstrickt.
Langsam, aber unaufhaltsam, fingen die Tropfen an, ihre Form zu verändern. Sie flossen nicht mehr nur an den Fenstern hinunter. Stattdessen begannen sie, gegen das Glas zu drücken, als würden sie etwas suchen. Etwas spürte Anna im Nacken – ein Gefühl, dass sie nicht alleine waren. Etwas in diesem Regen lebte.
Plötzlich hörte sie ein Kratzen. Ein dumpfer Laut, der von den Fensterscheiben kam. Die Tropfen drängten sich, pulsierten. Und dann, ohne Vorwarnung, brach die erste Scheibe. Ein Schwall schwarzer Flüssigkeit strömte ins Büro, die Wände entlang, über den Boden.
Panik packte Anna. Sie wich zurück, stolperte über einen Stuhl, und sah zu, wie die schwarze Flüssigkeit sich ausbreitete. Der Kollege, der zu nah an der Scheibe gestanden hatte, versuchte noch, wegzulaufen, doch die Flüssigkeit hatte ihn schon erreicht. Seine Beine blieben stecken, dann sein Körper. Er riss die Augen auf, als er langsam in der zähen Masse versank. Sein letzter Blick traf Annas, bevor er verschwand.
Anna schrie. Sie rannte zur Tür, doch der Regen war überall. Er drang in den Raum, breitet sich wie eine Flutwelle aus. Ihre Füße wurden schwerer, der Boden schien unter ihr zu schwanken. „Hilfe!“, rief sie, doch ihre Stimme verhallte im Geräusch des Regens.
Das letzte, was Anna sah, bevor die Dunkelheit sie erreichte, war der Himmel. Ein schwarzer Vorhang, der sich unbarmherzig über die Stadt senkte.