Stille der Tiefsee

Die metallischen Wände der Unterwasserstation „Abyss 13“ knarrten leise unter dem enormen Druck der Tiefe. Es war still, so still, dass jedes Geräusch – ein Rascheln, ein Atmen – wie ein Donnerschlag wirkte. Anna saß in der winzigen Zentrale der Station und starrte auf die blinkenden Monitore. Seit zwei Tagen hatten sie keinen Kontakt mehr zur Oberfläche.

„Immer noch nichts?“ Die Stimme von Mark, dem Stationsleiter, klang heiser. Er lehnte sich müde an die Konsole neben ihr, den Blick auf die Sensoranzeigen gerichtet.

Anna schüttelte den Kopf. „Nichts. Alle Systeme scheinen in Ordnung, aber wir sind abgeschnitten.“

„Der Druck könnte die Antennen beschädigt haben,“ überlegte Mark laut. Doch Anna spürte, dass es mehr war. Etwas stimmte nicht. Diese beklemmende, unheimliche Stille, die die Station seit Tagen umgab, ließ sie nicht los.

Plötzlich flackerte ein Licht auf einem der Monitore. Eine kleine Vibration durchlief den Boden unter ihren Füßen. Sie spürte es kaum, aber es war da. Ein Zittern, das von den tiefen Gesteinsschichten unter ihnen auszugehen schien. Anna beugte sich näher an den Bildschirm. „Was war das?“

„Wahrscheinlich nur eine tektonische Bewegung,“ murmelte Mark und rieb sich die Augen. „Die Platten hier unten sind immer in Bewegung.“

Doch Anna konnte das ungute Gefühl in ihrem Magen nicht ignorieren. Sie aktivierte die externe Kamera, die das Meeresbett im Umkreis von hundert Metern filmte. Schwarz. Die Dunkelheit der Tiefsee verschlang alles, was außerhalb der Station lag. Nichts zu sehen, nichts zu hören. Nur die Stille, die sie in den Wahnsinn zu treiben drohte.

Dann, ohne Vorwarnung, kam eine weitere Erschütterung. Diesmal stärker. Die Monitore flackerten, und ein leises Grollen drang durch die Wände der Station. Anna erstarrte. „Das war kein normales Beben.“

Mark stand auf, starrte auf die Bildschirme. „Zeig mir die Sonardaten.“

Anna rief die Sonaranzeige auf. Zunächst sah es aus wie gewöhnliches Rauschen – das, was man in der tiefen Stille des Ozeans erwarten würde. Doch dann sah sie es: Eine Bewegung. Langsam, schwerfällig, aber unaufhaltsam, kroch etwas Großes über den Meeresboden. Es war kein Erdbeben. Es war etwas Lebendiges.

„Was… zur Hölle ist das?“ flüsterte Mark und trat näher.

Das Sonarbild zeigte ein riesiges Objekt, das sich direkt auf die Station zubewegte. Es war zu groß, um ein Tier zu sein, zumindest keines, das sie je gesehen hatten. Der Schatten auf dem Sonar nahm den gesamten Bildschirm ein, als es immer näher kam. Die Wände der Station begannen unter der zunehmenden Vibration zu zittern.

„Wir müssen sofort raus!“ Anna sprang auf, doch Mark hielt sie zurück.

„Wohin willst du gehen? Wir sind 3.000 Meter unter der Oberfläche!“

Die Worte hingen in der Luft, und für einen Moment war nichts zu hören außer ihrem panischen Atem. Dann kam der Einschlag.

Die Station bebte, als ob eine riesige Faust sie von außen getroffen hätte. Metall knirschte, und Alarmlichter gingen an. Anna stolperte und fiel, während Mark verzweifelt versuchte, das Gleichgewicht zu halten.

„Das Ding… es versucht, uns zu zerquetschen!“ schrie sie. Der Druck stieg, und die Außenhülle der Station begann zu ächzen.

„Ruhig bleiben!“ Mark griff nach dem Notfall-Kontrollpanel. „Wir müssen die externe Druckkammer aktivieren, um es abzuschrecken!“

Ein weiteres Beben ließ das Licht flackern. Anna kroch zu den Steuerungen, während das Grollen von außen lauter wurde. Es fühlte sich an, als würde das Ungeheuer die Station umklammern.

Dann ein lauter Knall. Wasser begann in einen der seitlichen Räume zu strömen. „Die Hülle bricht!“ rief Mark verzweifelt. Der Druck von außen ließ die Station langsam zusammenbrechen.

„Wir müssen hier raus! Jetzt!“ Anna griff nach der Notfallausrüstung. „Es gibt keine Rettungskapseln mehr!“ Doch noch bevor sie reagieren konnten, gab es einen letzten, massiven Einschlag.

Die Wände gaben nach. Wasser, eiskalt und gnadenlos, strömte in die Zentrale. Anna sah Mark ein letztes Mal an, bevor die Dunkelheit sie beide verschlang.

Stille.

Nur das endlose Grollen der Tiefsee blieb zurück, während das unbekannte Wesen langsam weiterzog, auf der Suche nach dem nächsten Opfer.

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